Nachhaltigkeit treibt Verpackungsentwicklung weiter voran
Nachhaltigkeit, Recycling und der Trend zu faserbasierten Packstoffen prägen die Verpackungswelt auch 2023. Neu schwebt jedoch die Ende letzten Jahres in einem Entwurf publizierte Revision der Verpackungs-Rahmenverordnung in der EU als Damoklesschwert über der Verpackungswirtschaft. So standen neben der Zukunft der Verpackung auch regulatorische Anforderungen in der Europäischen Union und der Schweiz im Zentrum der fünften SVI-Jahrestagung, die am 28. März in Zürich mit rund 90 Teilnehmenden stattfand.
Über den aktuellen Stand der Diskussion um die Revision der EU-Gesetzgebung zu Lebensmittel-Kontaktmaterialien informierte Rachida Semail von Keller and Heckman LLP in einer Live-Zuschaltung aus Brüssel. Sie rechnet mit dem Start der konkreten Gesetzgebungsphase aber nicht vor Ende 2024. Mit dem Entwurf der Packaging and Packaging Waste Regulation und den zukünftigen Anforderungen an Lebensmittelverpackungen befasste sich in seinem Referat André Gierke von epr compact. Ziel ist für ihn eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und ein Binnenmarkt ohne Grenzen – auch für Verpackungen.
Einblicke in die Arbeit aus Beratungstätigkeit und dem Research über Konsumenten und regulatorische Trends bei Verpackungen gaben Markus Pley und Felix Grünewald von McKinsey & Company. Sie stellten zunächst die globalen Trends wie Nachhaltigkeit, E-Commerce und Digitalisierung vor. Nachhaltigkeitstreiber seien grösstenteils die Konsumenten – obwohl diese oft nicht wirklich verstehen würden, was nachhaltig sei und was nicht. Der Detailhandel setzt vor allem auf Papierverpackungen und das sei nicht immer nachhaltig. Aber es genüge, wenn die Konsumenten dies glaubten. Für die neue EU-Verordnung sagen die Referenten voraus, dass die Verfügbarkeit von Rezyklaten eine grosse Challenge werde, da nicht genügend Material verfügbar sei. Ohne das nicht unumstrittene chemische Recycling würden die Rezyklat-Mengenziele nicht zu erreichen sein.
Die Aufklärung der Konsumenten und die notwendigen technischen Anlagen sind laut Jonathan Scheck von Interseroh wichtig für eine hohe Recyclingquote. Auch ein auf das Recycling ausgelegtes Verpackungsdesign verbessere die Verwertungsqualität. Dazu wurde in der Schweiz die «Allianz for Design Recycling Plastics» unter dem Dach der Drehscheibe Kreislaufwirtschaft gegründet. In Schweizer Haushalten werden alle Kunststoffe im Kehrichtsack entsorgt, während sie in Deutschland in der Mischsammlung gesammelt werden. Schecks Fazit: Je geringer die Hürden für die Konsumenten sind, desto mehr Material wird gesammelt. Je stärker die Sammlung getrennt erfolgt, desto höher sind die Fehlwürfe und desto höher ist der Anteil, der in den Restmüll geht.
Grundsätzlich ist auf dem Verpackungsmarkt derzeit eine Entwicklung sichtbar, bei der Kunststoff- durch Papierverpackungen ersetzt werden. Hierbei müssen jedoch laut Dr. Antje Harling von der Papiertechnischen Stiftung PTS die Anforderungen an die Packgüter beachtet werden. Längst nicht alle Verpackungen liessen sich aus Papier realisieren und nicht alle Papierverpackungen seien wirklich nachhaltig. Dazu gäbe es zahlreiche Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen; diese seien weitgehend vom jeweiligen Auftraggeber der Studie abhängig. Dr. Peter Braun von Swiss Food Research verortete die Verpackung in einem zukunftsorientierten Ernährungssystem. Da Verpackung ein extrem segmentierter Bereich sei, sind gute Lösungen «praktisch nur durch Kooperation und Zusammenbringen verschiedener Kompetenzen möglich», stellte er fest.
Die Verpackungsbranche sei insgesamt sehr kleinteilig und der Verpackungsmarkt hart umkämpft, sagte Thomas Hirnschall von Horváth & Partners Management Consulting GmbH mit einem Blick aus Österreich. Er erwartet, dass die Materialkompetenz in der künftigen Entwicklung von Verpackungen ein Schlüsselfaktor werden wird. Verpackungshersteller seien oft hoch spezialisiert und auch die Digitalisierung halte immer mehr Einzug in die Branche. Beim Trend zur Nachhaltigkeit sieht er die Zirkularitätsanforderung als ein Problem: Es gibt nicht genügend Rohstoffe beim Recyclingmaterial in allen Bereichen. Der Papier- und Kartonverbrauch sei insgesamt rückläufig, aber die Nachfrage nach recyceltem Fasermaterial steige ständig.
Visionen für die Zukunft des Verpackens und für Verpackungen präsentierte Henning Schmidt, Geschäftsführer honeypot Taste GmbH. Bei Verpackungen gibt es keinen Königsweg: Jedes Produkt muss separat betrachtet werden. «Richtig nachhaltige Verpackungen bekommen wir nicht wirklich hin, aber wir müssen uns auf den Weg machen und stehen vor extremen Herausforderungen: Von hygienebedingt gewünschter Überverpackung in der Corona-Krise glitten wir nahtlos in die derzeitige Ressourcenkrise.» Hinzu kommt die allgegenwärtige Klimakrise, von Corona und Ukraine nur kurzfristig überlagert. Aber Schmidt bleibt Optimist: «Krisen sind immer auch Innovationsbooster.»